Der falsche Mexikaner
Wer von Tequila spricht, meint oft das Zeug das zwar offiziell als Tequila bezeichnet werden darf, aber eigentlich kein echter Tequila ist. Die Rede ist von den sogenannten Mixtos. Das „Ich-trink-nie-wieder“-Höllengetränk das einem nach einer geselligen Runde den Kopf wegbläst und das Gegessene von Gestern … ich lass mal besser die blumigen Formulierungen. Letztendlich kann jeder trinken was er will, doch vielleicht überlegt sich der ein oder andere beim nächsten Griff zur vermeintlich „günstigen“ Tequila-Mixto Flasche im Supermarkt ob er nicht doch ein paar Euro mehr ausgeben will für einen 100% Agave Tequila. Denn die Auswahl war noch nie größer als heute. Gut so. Aber wie ist der Tequila-Mixto überhaupt entstanden? War das ein Unfall oder ein genialer Schachzug der Tequila-Industrie?
Die erste Agavenkrise von 1930
Wir schreiben das Jahr 1930. Industrieller Tequila steckt noch in den Kinderschuhen, und trotzdem gibt es bereits in diesem Jahr mehr Nachfrage nach Tequila als man Agaven für die Produktion zur Verfügung hat bzw. frühzeitig nachgepflanzt hatte. Kurzerhand entschied die Regierung (der CRT war noch längst nicht gegründet) auch andere Zuckerquellen als Agave bei der Gärung zuzulassen, beispielsweise Mais, Getreide oder Zuckerrohr. Alle waren (erstmal) happy.
100% Agave – Der neue Tequila Standard!
Das ging dann erstmal 20 Jahre mehr oder weniger unkontrolliert so weiter bis sich 1949 der Bestand an den kostbaren blauen Weber Agaven wieder soweit erholt hat, daß der Qualitätsstandard 100% Agave festgelegt wurde. Das mit dem „Strecken“ war dann erstmal wieder vom Tisch.
Plan gut – Ausführung mangelhaft
Aber leider wurde es erneut versäumt sukzessive den Bestand zu pflegen und so wurde der Agavenanteil erst auf 70% (1964) und dann 6 Jahre später auf nur noch 51% verringert. Es durft also wieder munter gepanscht werden. Wieder waren alle (die daran verdient hatten) happy.
Der traurige Höhepunkt war schließlich das Jahr 2000, als erneut mit verheerenen Ernteausfällen gekämpft wurde und der Anteil auf magere 30% Blaue Agave verringert wurde. 30%! Der Rest mehr oder weniger unknown stuff. Also alles was bei der Fermentierung irgendwie zuckerhaltig war konnte verwendet werden.
Zwischenzeitlich wurde das CRT (Consejo Regulado de Tequila) gegründet (1993), eine Aufsichtsbehörde, die von der mexikanischen Regierung damit beauftragt wurde, die Tequila Produktion und Abfüllung zu überwachen, um so die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben sicherzustellen.
Aber leider wurde, als sich die Bestände nach dem Jahr 2000 erneut erholt hatte, nicht zum im Jahr 1949 verabschiedeten 100% de Agave-Gesetz zurückgekehrt, sondern nur (wieder) auf 51% Blaue Agave angehoben. Das Umsatzplus war einfach zu gut, und Weizen, Mais und Zuckerrohr waren einfach dauerhaft zu billig.
Status Quo heute
Diese Regelung gilt heute noch. Tequila darf zu 49% aus anderen Zuckerquellen als Agave hergestellt werden und darf sich dann „Tequila“ nennen. Hingegen der echte Tequila hat die Zusatzbezeichnung „100% Agave“ auf dem Etikett zu tragen. Das ist jetzt in der Sache alles richtig, nur im Sinne des Verbraucherschutzes eigentlich falsch herum, denn der gestreckte Mixto-Tequila bräuchte eigentlich diesen (Warn-) Hinweis „*Vorsicht: nur 51% Tequila, Rest kann alles mögliche sein“.
Das ist wie wenn ich Rinderhack mit nem Eimer toter Mäuse strecke und das ganze dann unter der Bezeichnung „Rinderhackfleisch“ verkauf. Für mich ist das Verbrauchertäuschung.
Warum sind Mixto Tequilas so billig?
Ist Mixto Tequila wirklich billig? Wer sagt denn was billig und teuer ist? Der Produzent spart fast 50% des Rohstoffs ein und ersetzt ihn durch minderwertige Füllstoffe die nur einen Bruchteil dessen kosten was Produzenten ausgeben müssen die auf 100% Qualität setzen. Außerdem dürfen Mixtos auch außerhalb Mexikos abgefüllt werden – was wiederrum eine drastische Einsparung im Transport bedeutet.
Aber im Cocktail ist ein Mixto doch super, oder?
Also ja und nein. Ja: Wenn Du derjenige bist der die Cocktails mischt aber sie nicht trinken muss dann ist das es eine super Idee. Nein: schmeckt pur scheisse, schmeckt auch im Cocktail scheisse, nach dem Grundsatz: Shit in – shit out. Ich würde sogar sagen: GERADE in Cocktails sollte man ausschließlich die besten Zutaten verwenden, und dazu gehört nunmal auch eine Premium-Spirituose.
Zum Abschluss noch eins meiner Lieblingsvideos. Lustig verpackt und im Kern sehr informativ. Vor allem in Europa fallen noch deutlich zu viele auf den falschen Mexikaner rein. Der Mexikaner, also der echte der in Mexiko lebt, der trinkt natürlich keinen Mixto. In Bayern trinkt ja auch kein Bayer Bier mit Erdbeergeschmack. Und dieser Vergleich hinkt sogar noch etwas im positiven Sinne.
Wie geht es weiter mit Tequila?
Um die Frage die ich eingangs gestellt hab zu beantworten: Ja es war ein Unfall – aber ein ziemlich lukrativer. Tequila ist ein Mega-Business und der aktuell extrem hohe Agaven-Preis und die weiter steigende Nachfrage deuten drauf hin, daß sich die Geschichte wiederholen könnte. Also: Immer auf das Flaschen-Etikett schauen oder nur da einkaufen, wo es sowieoso nur 100% Agave Qualität gibt.
Salud!