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Die Tequila 1%-Regel – Ein Update muss her!

Zusatzstoffe in Tequila? Bei 100% Premium Agave Tequila doch eigentlich klar verboten? Da sind keine Zusatzstoffe erlaubt sonst würds ja nicht 100% heissen. Oder stimmt das so etwa gar nicht? Ne oder? Ich starte einen Aufklärungsversuch.

Die Verwendung von Zusatzstoffen in sowohl 100% Agave- als auch Mixto Tequila ist nach den Regeln der NOM für die Tequila-Produktion grundsätzlich erlaubt.

Aber es gibt Einschränkungen: Ein Hersteller darf Zusatzstoffe nur verwenden, solange 1% des Gesamtvolumens nicht überschritten werden. Andernfalls muss es als „Likör“ oder „Crema“ bezeichnet werden. Das heißt aber auch im Umkehrschluss, daß diese Zusatzstoffe nicht auf dem Etikett angegeben werden müssen, wenn die Konzentration unter 1% liegt. DAS ist jetzt nicht so prickelnd für den Verbraucher.

Sauza Hornitos, Agavita Añejo, Sierra Reposado, El Jimador Reposado und der Especial von Jose Cuervo - was ist wirklich drin?
Sauza Hornitos, Agavita Añejo, Sierra Reposado, El Jimador Reposado und der Especial von Jose Cuervo – was ist wirklich drin?

Was sind schon 1% Zusatzstoffe in Tequila…

1%, okay, das ist wirklich nicht viel. Oder vielleicht doch? In einer handelsüblichen 0,7 Liter Flasche Tequila, z.B. einem Reposado kann also maximal ca. 7ml an Additiven drin sein. 7ml…., was sind schon 7ml?

Ein Praxisbeispiel: Jeder der sich schonmal einen Protein-Eiweiss-Shake angerührt hat (und dazu die leckeren Aromadrops, z.B. von MyProtein.de verwendet hat) weiß um die Kraft dieser Drops … 2-3 Tropfen auf nem halben Liter schmecken super. Jeder Tropfen mehr versaut dir den kompletten Shake und aus dem Schokoladen-Milchshake wird ein undefinierbares Gesöff mit bitterem Nachgeschmack. Und wir reden hier von ein paar Tropfen. In diesen Drops-Fläschchen von MyProtein sind 50ml. D.h. komm ich zurück auf unseren Tequila: ca. 1/10 davon ist grob gesagt die erlaubte Menge an Zusatzstoffen in einer 0,7er Flasche Tequila. Krass, echt krass. Da wird mir jetzt schon schlecht wenn ich mir den Löffel mit den Aromen vorstelle und daneben die Flasche Tequila.

FlavDrops von MyProtein - als Beispiel für Aromen in hoher Konzentration. In einem Eiweiss-Shake selbst gemixt ist das völlig okay. Zusatzstoffe in Tequila?
FlavDrops von MyProtein – als Beispiel für Aromen in hoher Konzentration. In einem Eiweiss-Shake selbst gemixt ist das völlig okay.

Ich behaupte jetzt mal: mehr als 7ml an Aromen in einer 0,7 Liter Flasche verträgt kein Tequila, will sagen: dieser Grenzwert ist unfassbar hoch! Das gleicht praktisch einem Freifahrtschein. Außerdem gilt es zu bedenken, daß sich die Konzentration der Aromen und Zusatzstoffe in den letzten Jahrzehnten stark erhöht hat und der Effekt viel intensiver ist – die Forschung und Entwicklung ging ja sicherlich weiter. Der Grenzwert braucht wirklich dringend ein Update!

Die blaue Agave - da wächst sie friedlich vor sich hin und ahnt noch nichts Böses...
Die blaue Agave – da wächst sie friedlich vor sich hin und ahnt noch nichts Böses…

Welche Zusatzstoffe in Tequila sind denn per Gesetz erlaubt?

Es gibt 4 Arten von Zusatzstoffen, die gesetzlich erlaubt sind und in 100% Agaven-/Mixtos und Nicht-Blanco-Tequilas verwendet werden dürfen:

  1. Zuckerbasierter Sirup
    Sirup, oder „Jarabe“, ist eine Mischung aus verschiedenen Zutaten, vor allem um ein süßeres Produkt zu kreieren. Agavennektar, Maissirup, Rohrzucker, Aspartam, Sucralose (Splenda) und Stevia dürfen alle als Süßungsmittel verwendet werden. Dieser Sirup kann auch natürliche Früchte und Kräuter enthalten.
  2. Glycerin
    Glycerin ist ein natürliches Nebenprodukt der Fermentation und Destillation. Zusätzliches Glycerin kann hinzugefügt werden, um ein abgerundetes Mundgefühl zu erzeugen. Es ist eines der am häufigsten verwendeten Additive für Tequila. Es macht einen Tequila, der „dünn“ oder wässrig ist, voller und dicker im Mund.
  3. Eichen-Extrakt
    Dadurch werden dem Endprodukt Aromen aus einem Eichenfass hinzugefügt. Bei der Verwendung von Eichenextrakten ist es möglich, einen Tequila so riechen oder schmecken zu lassen, als ob er länger gereift wäre, als er es tatsächlich war.
  4. Karamellfarbe
    Wird hauptsächlich zur Farbveränderung des Endprodukts verwendet. Die Karamellfarbe hat einen leicht bitteren Geschmack und wird für ästhetische Zwecke verwendet.

Diese Additive werden am Ende des Herstellungs-Prozesses verwendet und sind in der Regel zur Erhaltung der Konsistenz zwischen den unterschiedlichen Batches/Chargen (Abfüllungen) bestimmt. Sie können aber auch dazu verwendet werden, um Fehler zu vertuschen oder Mängel im Endprodukt zu überdecken. Harter Tobak. Tequila-Cheating!

Ein Wermutstropfen: Seit Februar 2013 verbietet die NORMA Oficial Mexicana (NOM) die Verwendung von Zusatzstoffen in der Kategorie Blanco-Tequilas vollständig (Na wenigstens etwas…).

Der Añejo von Agavita*. 1 Jahr im Fass und tiefdunkel die Färbung. "Respekt"! Zusatzstoffe in Tequila?
Der Añejo von Agavita*. 1 Jahr im Fass und tiefdunkel die Färbung. „Respekt“!

Woran erkennt man einen Tequila der mit Zusatzstoffen präpariert wurde?

Grundsätzlich gilt: Probiere so viel Tequila wie irgendwie möglich und versuche deine Sinne zu schärfen. Wenn ein Tequila extrem süß ist oder nach Kuchenteig, Zuckerwatte, Vanillepudding, künstlichen Früchten oder Tutti-Frucht-Bonbons riecht — das sind keine Aromen, die bei der Tequila-Herstellung natürlich vorkommen.

Gaschromatograph („Reverse Engineering“ in würde ich persönlich dazu sagen): Damit lässt sich praktisch jeder flüssige und gasförmige Stoff in seine einzelnen Bestandteile zerlegen. Bei der Analyse von Parfüm oder Sprengstoff wird das z.b. schon seit ner Ewigkeit angewandt. Mit Tequila sollte das sicher auch gehen. Ihr könnt ja gern mal selber googlen.

Ist es auch möglich Aromen und Geschmacksrichtungen ohne Zusatzstoffe herstellt?

Ja, das ist beispielsweise möglich wenn man verschiedene Chargen aus unterschiedlichen Herstellungsmethoden miteinander mischt und/oder durch das Verwenden von Agaven, die in verschiedenen Höhen oder auf verschiedenen Bodenarten angebaut wurden. Die geschickte Kombination all dessen liefert das gewünschte Ergebnis. Vorraussetzung ist allerdings immer: Man weiß, was man tut und bleibt sich selbst treu (und hat nen Plan an dem man sich hält).

Zusatzstoffe in Tequila? Die ehrliche Alternative

Einige traditionelle Hersteller bleiben allein bei gekochter Agave, Wasser und Hefe und lassen ihren Prozess und ihr Terroir die Ergebnisse ehrlich bestimmen. Sie haben sich entschieden unterschiedliche Chargen zu produzieren und diese auch demenstprechend also solche gekennzeichnet z.B. als Jahrgänge zu verkaufen. Diese Ehrlichkeit hat natürlich auch seinen Preis, den es zu respektieren gilt. Die paar Euro sind hier wirklich gut investiert!

Mein Fazit

Hat man diese Erkenntnis einmal verinnerlicht dann schaut man auch etwas anders auf die vermeintlich günstigen Premium-Añejos für teilweise unter 25 EUR mit ihrer so trügerischen tiefgoldenen Färbung und stellt sich die Frage: Wer ist hier jetzt eigentlich billig oder teuer? Was bekomm ich tatsächlich für mein Geld? Oder ist es doch schlauer mal 20 EUR mehr zu investieren? Am Schluss entscheidet jedoch – wie so oft – der persönliche Geschmack.

P.S.: Falls ich hier irgendwo einen Fehler reingebracht hab, bitte Hand-heb! Und mir eine Email schreiben. Denn: Ich weiß, daß ich nichts weiß. Richtig guten Tequila produzieren ist eine echte Kunstform – davor hab ich meinen höchsten Respekt!

P.S.2: Ein Artikel über die (ebenfalls erlaubte) Verwendung von geschredderten (Eichen-) Fässern in Chipsform folgt demnächst.

* Agavita Tequila stammt aus einem Produktionsverband der sich Cooperativa Tequilera La Magdalena nennt und wird in Mexiko produziert. Das Sortiment reicht von einem einfachen Silver Tequila bis hin zu lange gereiften Reposado und Añejo Tequila.