TEQUILA BOOM – JETZT!
In meinem Artikel vom 24.März diesen Jahres hatte ich ja bereits über die anhaltende Agavenknappheit berichtet. Die Preise für Rohagaven verteuern sich bekanntlich seit vielen Jahren. Die Gesamtsituation am Tequila Markt hat sich durch die Corona Pandemie nun weiter verschärft und der Tequila Konsum ist deutlich gestiegen. Wird 2021 DAS Rekordjahr für Tequila? Wie geht man mit der weiter steigenden Nachfrage um? Ist Tequila bald Luxus Schnaps?
Rückblick März 2020
Während man annehmen könnte, dass die Agavenpreise während der Pandemie sinken würden, als die Einzelhandelsgeschäfte, Bars und Restaurants geschlossen waren, hielt die unvorhergesehene Explosion der Nachfrage die Preise hoch – und damit kamen auch die Probleme.
Schuld sind die Amis
Böse Zungen behaupten, die Amerikaner hätten seit März 2020 fast den ganzen Bestand an Tequila Añejo und Extra Añejo weggesoffen. Seit Beginn der Corona Pandemie in den USA (=weltweit mit Abstand der größte Absatzmarkt für Tequila 100% de Agave und Mixto-Tequila) stieg die Nachfrage vor allem nach gereiften Tequila sprunghaft. Warum war das so? Wer zuhause sitzt und nicht in Bars oder Restaurants gehen kann – weil alles geschlossen ist, der kauft sich dann mal auch ein etwas besseres Tröpfchen für zuhause – online vor allem. Das Ergebnis: Viele Spirituosen-Händler waren nach wenigen Monaten ausverkauft und in vielen Destillerien leerten sich die Lager.
Europa ist noch im Schlafmodus
Von der Kostenexplosion und den sich stetig leerenden Tequila-Lagern in Mexiko bekamen die Tequilafans in Europa fast nichts mit (Anm: Viele Händler offensichtlich auch nicht, denn auch hier heißt es des öfteren: „Produkt ausverkauft“). Die Absatzdynamik mit Tequila ist zwar gering, dennoch kommt diese Welle nun auch hier bei uns an, mit etwas Verzögerung, was wohl einige Spirituosenhändler jetzt kurz vorm Start des umsatzstärksten Quartals auf dem falschen Fuß erwischen wird. Wer nichts auf Lager hat, der wird zum Weihnachtsgeschäft Probleme bekommen.
Preiserhöhung bei Top-Produkten
Viele Marken und Lieferanten haben bereits schon vor Monaten massive Preiserhöhungen angekündigt oder sogar vollzogen.
Besonders aufgefallen ist mir hier die Marke Don Julio mit Ihrem Top-Produkt 1942. Konnte man noch vor einem Jahr eine Flasche für ca. 120 € kaufen, muss man nun stolze 170-180 € auf den Tisch legen. Lieferbar ist der Tequila aber eigentlich auch nicht wirklich. Für den „normale“ Añejo von Don Julio ist die Preiserhöhung ähnlich. Da wird es auch deutlich nach oben gehen. Ich prognostiziere einen Preis zwischen 55 und 60 EUR für Endkunden.
Clase Azul mit seinem Reposado hat ebenfalls eine Steigerung von 120 auf aktuell 160-180 EUR hingelegt. Zu erwähnen hier wäre aber außerdem: Es gibt so gut wie keine einzige Flasche aktuell auf dem europäischen Markt.
Ist die weltweite Nachfrage nach Tequila denn tatsächlich so extrem gestiegen?
Simple Antwort: Ja, und wie…! In Zahlen: 41,8% Anstieg zum Vergleichszeitraum im Vorjahr 2020 (!). Angaben im Chart in Mio.-Liter.
Die Produktionsmenge von 348,7 Mio. Liter Tequila für 2021 berücksichtigt die Monate Januar bis August 2021. D.h. hier kommen bis zum Jahresende noch 4 Produktionsmonate dazu.
Wenn das Volumen auf diesem Niveau bis zum Jahresende gehalten wird, dann sehen wir in 2021 vielleicht sogar 500 Millionen Liter Produktionsmenge.
Positiver Sideeffect: Mehr 100% de Agave Tequila, weniger „falsche Mexikaner“
Die Produktionszahlen für Mixto-Tequila (in der Tabelle, Zeile 2 mit „Tequila“ gekennzeichnet) sind stark rückläufig. Schön zu erkennen ist, dass das Qualitätsbewusstsein immer mehr steigt. Warum ein Mixto kein echter Tequila ist kannst Du hier nachlesen: https://about-tequila.de/der-falsche-mexikaner/.
Das Negative am positiven Sidefeffect
Klar ist es toll, dass immer mehr Tequilafans echten 100% de Agave Tequila trinken und lieber mal ein bisschen mehr ausgeben, anstatt einen gepanschten Mixto-Tequila zu kaufen. Aber das hat nun auch wieder zur Folge, dass die weiter ansteigende Nachfrage xvon 100% de Agave Tequila immer mehr Rohstoff benötigt: die Agaven.
Anders als bei Spirituosen wie Wodka Gin oder Whisky wo ich, etwas überspitzt formuliert „2x im Jahr über den Acker fahren kann“, muss ich mich als Tequila-Produzent beim Anbau und Pflege der Agave bis zur Ernte in Geduld üben. Unter 6 Jahre ist keine Agave reif für die Ernte – und hinzukommt: diese Ernte geschieht immer noch per Hand.
Die Preisspirale am Rohstoffmarkt und bei den Produktionskosten wird sich somit weiter in die Höhe schrauben, das Thema Nachhaltigkeit rückt wieder in den Fokus und alles wird richtig kompliziert.
Tequila ist tot, lang lebe Tequila!
Tequila kommt aus Mexiko, das soll und muss auch so bleiben. Wer also echten, traditionellen Tequila trinken will, sollte immer auf 100% de Agave, Hecho en Mexiko vertrauen. Eine weitere Steigerung der Produktionsmenge an Tequila auf diesem hohen Nachfrageniveau ist allerdings nahezu unmöglich. Es müssen jetzt für die weitere Zukunft Lösungswege her, mit dem Blick nach vorn. Aus meiner Sicht könnte das so laufen:
Lösungsansatz 1: Erschließen neuer Zielgruppen mit „Agave Spirits“
Ich finde es extrem spannend zu beobachten, was sich seit ein paar Jahren global in Bezug auf Anbau von Agaven und Destillation von Agavedestillaten tut. In Australien und auch in den USA und in vielen anderen Ländern der Welt kommen immer mehr kreative Destillerien auf die Idee „Agave Spirits“, also Spirituosen auf Agavebasis herzustellen.
Einige dieser Agave Spirits stecken noch in Entwicklungsphasen, andere sind bereits am Markt verfügbar. Grundsätzlich muss das alles halt auch mindestens trinkbar sein, aber das Problem ist denk ich nicht wirklich erwähnenswert. Viele der echten preiswerten 100% de Agave Tequila basieren auch nur auf einem geschmacksneutralen industriell hergestellten Tequila-Liquid und landen dann in irgendwelchen Longdrinks, Cocktails in der Bar oder auf Eis mit einem Tonicwater. So what. Dann hätten wir schon eine Zielgruppe „abgefrühstückt“.
Auch könnte der ein- oder andere Promi auf Agave Spirits (=andere Agavenart, Produktion der Spirituose außerhalb Mexicos) umschwenken anstatt wertvolle mexikanische Ressourcen zu vergeuden.
Wäre ich Promi und würde eine Spirituose mit meinem Namen unterstützen, fände ich diesen Ansatz sogar reizvoller, als den hundertsten Tequila aus Mexiko aus einer Private Label Produktion, außerdem hab ich dann keine behördlichen Auflagen und das ganze könnte sogar dann wieder günstiger sein für meine Fanbase.
Lösungsansatz 2: Cristalino Reposado statt Añejo
Eine andere Möglichkeit wäre es, z.b. auch weniger Mengen an Tequila zu reifen und stattdessen kurzgelagerte Reposadovarianten (ab 2 Monate) zu filtern (= Cristalino / Crystal Tequila). Der Effekt ist ähnlich eines Añejo: mild, süßlich. Der Traditionalist kann weiterhin einen Añejo oder Extra Añejo trinken, muß dann dafür aber etwas mehr Geld auf den Tisch legen. Somit wäre hier ebenfalls die Zielgruppe bedient, die eigentlich gefällige, mild-süße Anejo Tequila trinkt.
Lösungsansatz 3: Halb-falsche Mexikaner (ein gefährlicher Ansatz)
Ich propagiere zwar immer: Trink keinen Mixto-Tequila. Der Agave-Anteil beträgt in der Regel nicht mehr als die per Gesetz geforderten 51%. Außerdem werden Additive zugesetzt was die Trickkiste hergibt, bzw. im Erlaubten liegt. Das Ergebnis ist dann aber auch leider oft eine Spirituose die übelst Kopfweh verursacht und nicht mal zum Desinfizieren einer Küchentheke taugt. Dafür ist der Alkoholgehalt zu gering. Somit: Don´t drink it! Phuu.. wie schaff ich da jetzt den Bogen zu einem Lösungsvorschlag ohne mich unglaubwürdig zu machen? hmm.. ich versuch´s trotzdem, denn….
Es gibt es tatsächlich ein paar Destillerien die trinkbaren Mixto Tequila produzieren. Zum Beispiel die Destillerie von El Tequileno. Was macht dieser Hersteller anders als die fiesen Industrie-Cheater? Erstmal erhöhen sie den Anteil an Agave im Tequila von 51% auf 70% und achten auf Qualität des restlichen 30% Zuckeranteils – da wird also nicht der letzte Schrott „mitdestilliert“. Weitere Zusatzstoffen werden nicht beigemischt und Reposados und Añejo werden nicht gefärbt. Das Ganze ist, ich würd mal sagen, mittelaufwändig und eine mögliche Lösung auf für Bars als Mix-Tequila.
Entscheidend und wichtig wäre bei diesem Lösungsansatz ist allerdings: Es muss alles auf dem Etikett stehen.
Fazit
Einen „Tequila Boom“ wird es in Europa wohl nicht geben. Die beliebtesten Spirituosen sind nun mal Liköre (ca. 28%), Wodka (ca 18%), Korn (ca. 15%), Rum (15%). (Quelle: BSI; Statistisches Bundesamt; ID 77546). Selbst Whisky hat hier auf den vorderen Plätzen nichts mitzureden und Gin belegt mit 2.6% eher einen hinteren Platz. Tequila hat ca. 1,5% Anteil. Bevor Tequila einen Boom erlebt, wird Gin eher zweistellig 😉
Ich bin jedenfalls auf die nächstenTequila Marken und non-Mexican Agave Spirits gespannt, die auf dem weltweiten Markt erscheinen. In UK startet gerade eine neue Tequilamarke namens HACIEN durch. Das Lineup lautet: Tequila Blanco, Pineapple Blanco, Añejo Cristalino. Ziemlich modern.
Salud und cheers!