Die Aromen des Tequila | Teil 2
Im ersten Teil „Die Aromen des Tequila“ ging es um die grundsätzliche Einteilung in die drei Klassen: primäre, sekundäre und tertiäre Aromen. Diese dienen als Basis für eine detailiertere Betrachtungsweise mit Hilfe eines Aromarades. Aber was ist das eigentlich und wie unterscheidet sich so ein Rad zum Beispiel von einem Aroma Rad für Whisky oder für Wein?
Was ist ein Aromarad?
Ein Aromarad ist ein standardisiertes System zur sensorischen Beschreibung von Aromen. Wir können damit unseren Geruchsinn schärfen.
Das Aromarad für Whisky
Ein Whisky Aromarad ist eine visuelle Darstellung der gängigsten Whisky-Aromen. Bei einem Whisky Tasting ist es ein gutes Hilfsmittel um die Komplexität von Aromen zu identifizieren. Man beginnt am inneren Kreis des Rades („Fruchtig“) und grenzt das zu identifizierende Aroma immer mehr ein. Irgendwann landet man dann bei einem mehr oder weniger präzisen Aroma am Äußeren des Rad wie etwa: „getrocknete Aprikosen„.
Ein Aromarad speziell für Tequila?
Wie wir wissen ist die Herstellung von Tequila ein äußerst aufwändiger Vorgang der, wenn wir die Reifung des Rohstoffs miteinrechnen, auch 10 Jahre und mehr betragen kann. Bei Mezcal kann sich das nochmal im Extremfall verdoppeln.
Deshalb ist es wichtig, daß wir im Zusammenhang mit Aromen beim Tequila die einzelnen Produktionsschritte berücksichtigen. Denn anders als bei Whisky, wo 70% der Aromen auf die Fasslagerung zurückzuführen sind, entsteht bei Tequila das ganze Aromen Spektakel der über 600 Aromen in einem deutlich längeren Zeitraum. Ich gehe also mit dieser Variante des Aromarades einen Schritt weiter und weise den Sinneseindrücken die vermeintlichen Ursprünge zu – von innen nach außen.
Ich empfehle das Aromarad für Tequila hier als JPG downloaden und auszudrucken, sich ein Gläschen seines Lieblings-Tequilas einzuschenken und dann weiterzulesen.
Der Aufbau unseres Tequila Aromarades
Bei dieser Variante des Aromarades starten wir oben in der Mitte bei 0 Uhr und gehen im Uhrzeigersinn die Produktionsschritte (aktive und passive) durch – vom Anfang bis zum Ende. Bitte bei jedem Schritt den Praxistest machen und nicht gleich verzweifeln, wenn man „nichts riecht“ denn das benötigt etwas Geduld und Zeit. Man kann hier übrigens nichts falsch machen.
- Terroir
- Extraktion
- Fermentierung
- Destillation
- Reduktion
- Fassreifung
1. Terroir
Agaven brauchen eine halbe Ewigkeit bis sie so groß sind, daß man daraus Tequila produzieren kann: 7-10 Jahre etwa. Je nachdem wo also die Agave wächst kann eine Art Grundaroma definiert werden. Wird die Agaven in der Ebene angebaut sagt man ihr herbere (ich verwende hier auch gern den Begriff: mediterrane) Aromen nach, wohingegen Agaven aus dem Hochland von Jalisco eher zu einer fruchtigen und erdigen Grundnoten neigen.
Wichtig ist hier natürlich auch: Wie wird die Agave vor äußeren Einflüssen geschützt? Wird (aktiv) mit Pestiziden gearbeitet oder überlässt man Ihre Entwicklung dem Schicksal der Natur und steht man unterstützend (passiv) zur Seite?
Das Terroir fällt in die Gruppe der primären Aromen und ist in meinen Augen, neben der Destillation der wichtigste Produktionsschritt bei der Herstellung von Tequila: Der Rohstoff definiert ein Basisaroma.
2. Die Extraktion bzw. das Kochen
Nach der Ernte beginnt die aktive Verarbeitung: Das Extrahieren der Fasern und Kochen. Dieser Vorgang gehört ebenfalls zur Gruppe der primären Aromen und sorgt für hitzige Diskussion unter Tequila Enthusiasten. Hier stehen sich das Lager der Traditionalisten und die Gruppe die sich mit moderner Produktionsweise angefreundet hat, gegenüber. Moderne Produktionsmethoden wie die Verwendung von Autoklaven und/oder Diffusoren werden von Tequila Traditionalisten kategorisch abgelehnt. Aber woher kommt diese Ablehnung eigentlich?
Der Casus knacksus ist wohl:
Es gibt aber ein „Problem“ mit diesem modernen Verfahren. Man kann in diesem Schritt zusätzlich Stoffe hinzufügen um minderwertigen oder unreifen Agavenrohstoff aufzupäppeln oder auch Produktionsfehler – sozusagen in letzter Minute – zu korrigieren. Ich sage ganz bewusst: kann. Denn es gibt auch Hersteller die modern produzieren, auch aus ökonomischen Gründen und nicht „cheaten“. Nachhaltiger ist ein modernes Produktionsverfahren außerdem, denn es wird praktisch der komplette Rohstoff verwertet. Es geht letztendlich immer um den Inhalt und nicht um das Werkzeug und die Verantwortung liegt bei demjenigen der die Produktion verantwortet.
Aber werfen wir einen Blick auf das Aromarad und die zwei unterschiedliche Geschmacksmuster die bei diesem Schritt entstehen können:
- Aromatisch und intensiv (klassisch)
- Pflanzlich herb mit einem Gemüsecharakter (modern)
Und diese zwei Richtungen sind tatsächlich sehr verschieden. In meinen Augen aber eine Geschmacksfrage: Einmal mit präsenter Tequila-Kante, andererseits sehr pflanzlich herb und glatt. Ich mag beide Ansätze und fühl mich wohl dabei.
3. Fermentierung
Wir sind nun im Bereich der sekundären Aromen angelangt. Bis hierher gab es bereits eine ganze Menge an Kombinationsmöglichkeiten die nun beim Gärprozess weiter aus- oder umgestaltet werden können. Die Fermentierung ist der einzige Schritt wo man ganz klar sagen kann: Ein behutsam langsames Vorgehen ist hier besser als eine Express-Gärung.
Tipp fürs Tasting: Nach ca. 10 Min „Riecherei“ ist die Nase meist überfordert und der Geruchsinn sollte neu kalibriert werden. Ich lese oft über Kaffeebohnen, was ja aber in meinen Augen bzw. meiner Nase erneut ein extrem komplexer Geruch ist. Deshalb (Tipp aus Mexiko): körpereigener Geruch hilft der Nase! Einfach Unterarm bzw. Ellenbogen Innenseite vor die Nase halten und langsam ein paar Mal tief einatmen. Die Nase „entspannt“ sich dadurch.
4. Destillation
Wie man unschwer am Aromarad sieht ist das der größte Bereich. Hier ist die Spielwiese für die Produzenten – und das betrifft sowohl die Hersteller die komplett auf Handwerkskunst setzen als auch die modernen Großbetriebe.
Das ist der Punkt wo man sich immer bewusst drüber werden muss, daß Tequila eine Spirituose ist und der Destillationsprozess nicht ungefährlich ist. Riecht oder schmeckt ein Tequila ungewöhnlich, dann liegt der Ursprung dieser Aromen höchstwahrscheinlich in der Destillation! Bei einem gereiften oder gealteten Tequila spielt zusätzlich das Fass eine weitere (Neben-)Rolle.
5. Reduktion auf Trinkstärke
Eine eher untergeordnet Rolle spielt die Verdünnung mit Wasser auf Trinkstärke. Je nachdem welchen Alkoholgehalt der finale Tequila besitzen soll wird mehr oder weniger Wasser verwendet. Ich hab mit Produzenten gesprochen, die mit Spezial-Wasser arbeiten, andere wiederrum haben meine Frage gar nicht wirklich verstanden, weil das Thema für sie gar keins ist. Wer es also auf die Spitze treiben möchte kann sich damit beschäftigen. Ich zitiere Joseph Huber (1763 bis 1828): „nix gwies woas ma ned.“
6. Die Fassreifung
Tertiären Aromen entstehen im Fass – die finale Aromarunde sozusagen. Als Erstreifung ist immer ein Bourbon Fass vorgeschrieben, als Finish können dann beliebige Hölzer verwendet werden. Wer allerdings denkt die bräunliche Färbung seines geliebten 19,90€ Tequila Añejo kommt von einem Fass, den muss ich leider enttäuschen den oft wird hier mit Farbstoffen gearbeitet. Eine dunkle Färbung macht mich immer misstrauisch und braucht geschmacklich auch niemand.
Praktische Anwendung des Aromarades
Bei einem Tasting kann das Rad auf spielerische Art verwendet werden (wie hier während des Lesens hoffentlich passiert) um die Sinneseindrücke bestimmten Ursprüngen zuzuordnen. Das macht außerdem wirklich Spaß.
Nächsten Teil lesen?
Die Aromen des Tequila – Teil 3: >> Das Aroma-Set.