Quo Vadis Tequila? Die Kunst, Bewährtes zu behalten und Neues zu gestalten.
Tequila steht zwischen zwei Fronten: Da gibt es die klischeehafte Ablehnung eines kommerzialisierten Produktes auf Kosten der Qualität und dann die tradierte Bewunderung eines leidenschaftlichen Meisterwerks, das heute in der Form nicht mehr nachhaltig der Nachfrage der Weltmärkte gerecht werden kann. Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo dazwischen. Begeben wir uns auf die Suche. Ein Gespräch mit Alejandro Cuevas Romo (Tequila Huizache), Nachfahre einer der ältesten Tequilafamilien – und Vorreiter einer neuen Sicht auf die Dinge.
Das Interview
About-Tequila: Hallo Alejandro. Bitte stell Dich kurz vor.
Alejandro: Mein Name ist Alejandro Cuevas Romo und ich bin Geschäftsführer von Excelencia Tequilera de Jalisco und TEQUILA HUIZACHE. Wir sind ein Familienunternehmen mit Sitz in Amatitán/Jalisco, Mexiko. Excelencia Tequilera de Jalisco besteht im Wesentlichen aus zwei getrennten Unternehmen, von denen eines ein landwirtschaftliches Unternehmen ist, das sich auf den Anbau und den Verkauf von Blauer Weber Agave konzentriert, und das andere auf die Destillation und Vermarktung von 100% Agave Tequila.
Unsere Familie (Anm.: Romo de la Peña) hat eine lange Tradition in der Herstellung von Tequila in dieser Region. Ich glaube, sie ist wahrscheinlich eine der Ältesten, mit einer Geschichte, die ins frühe 19. Jahrhundert zurückgeht, obwohl wir erst 1870 als offizielles Gründungsdatum verwenden. Damals wurde Tequila Herradura gegründet, aber wir wissen, dass es eigentlich früher war. Tequila Herradura ist eine der bekanntesten Marken der Welt. Sie wurde von meiner Familie gegründet und verwaltet bis sie 2007 schließlich an die Brown Forman Corporation verkauft wurde.
Meine Mutter und meine Tante haben ihre Anteile an Herradura schon in den späten 90er Jahren verkauft. Sie nahmen das Land, das sie geerbt hatten, und gründeten ein neues Unternehmen, zunächst nur um Agaven anzubauen und zu verkaufen. Später beschlossen sie Tequila zu produzieren und die Familientradition fortzusetzen.
About-Tequila: Also ist euer Kerngeschäft nicht die Produktion von TEQUILA HUIZACHE sondern der Anbau und Vertrieb von Rohstoffen?
Alejandro: Das ist richtig, unser Kerngeschäft ist der Anbau von qualitativ hochwertiger Blauer Agave. Unser Land befindet sich im Tal von Amatitán in der Nähe des Tequila-Vulkans, von dem das Getränk seinen Namen hat. Diese Region hat das ideale Klima für die Agavenproduktion. Unsere Agaven werden von vielen namhaften Marken für die Herstellung von Tequila verwendet. Wir verkaufen Tequila aber auch als Fertigprodukt an andere Marken.
Natürlich war es uns sehr wichtig, eine eigene Marke zu haben auf die wir stolz sein können und die unsere Interpretation des Nationalgetränks Mexikos repräsentiert. Als Tequila-Produzenten Familie hatten wir das Bedürfnis unsere Familientradition fortzusetzen und so entstand TEQUILA HUIZACHE.
About-Tequila: Kommen wir zur Marke TEQUILA HUIZACHE. Wie seid Ihr auf die Idee zum Origen Reposado gekommen?
Alejandro: Nun, unser Ziel war es schon immer, unsere Tequilas mit Blick nach vorne zu perfektionieren. Tequila ist zu einem weltweiten Getränk geworden. Über 70% der Tequila-Produktion wird heute in andere Länder exportiert. Dies hat den Tequila in einer guten Weise verändert. Qualitätsbewusste Verbraucher verlangen heutzutage komplexere und verfeinerte Produkte. Wir wußten, daß wir durch den ungewöhnlich komplexen Alterungsprozess etwas Interessantes schaffen konnten – einen anderen Reposado mit einzigartigen Eigenschaften.
Wir importierten dazu die höchste Qualität an Eichenfässern aus Frankreich, den USA und Ungarn, die wir bekommen konnten und wählten dann von Hand die Besten für unseren TEQUILA HUIZACHE Origen. Dadurch daß die Eichenhölzer alls aus verschiedenen Wäldern stammen und jedes Holz einen anderen individuellen Geschmack abgibt, erreichen wir die unverwechselbare Süße und Geschmeidigkeit die den Origen Reposado so einzigartig macht.
About-Tequila: Warum hat der Origen Reposado nur 35% Vol.-% Alkohol? In manchen Tests und Berichten wird der eher schwache Alkoholgehalt als Kritikpunkt gesehen.
Alejandro: Auch hier geht es darum: Du musst Entscheidungen treffen. Wir wollten, dass der Huizache Origen pur genossen wird und nicht als Cocktail gemischt wird. So ähnlich wie man einen guten Whisky genießt. Wir fanden außerdem heraus, dass sich durch die eher niedrigen Vol.-% Alkohol auch Leute angesprochen fühlten die sonst keinen Tequila trinken würden.
Wenn du etwas Stärkeres willst, kannst du ja immer noch unseren Blanco oder Reposado trinken. Die Menschen sollten aber grundsätzlich immer ihren Sinnen folgen und trinken, was ihnen schmeckt, und sollten sich keine Gedanken um Vol.-% Angaben machen.
Die Produktion von Tequila
About-Tequila: Wie sind die Produktionsabläufe bei TEQUILA HUIZACHE?
Alejandro: Wie ich bereits erwähnt habe, sind wir ein zukunftsorientiertes Unternehmen, wenn es um die Produktion geht. Es ist großartig, die Tradition und das Wissen zu haben, denn die gesammelte Erfahrung sagt einem, was funktioniert und was nicht und was verbessert werden kann. Bevor wir uns entschieden haben, welches Verfahren wir einsetzen, haben wir mehrere Tests in verschiedenen Produktionseinrichtungen durchgeführt, wobei wir sowohl mit traditionellen Verfahren als auch mit den neuesten Technologien experimentiert haben. Am Ende haben wir uns für den modernen Ansatz entschieden.
Das Wichtigste ist aber: mit dem besten möglichen Rohstoff zu beginnen und dafür muss die Agave mindestens 7 Jahre alt sein. Glücklicherweise bauen wir unsere eigenen Agaven an. Diese werden von Hand für unsere Produktion geerntet.
Dann verwenden wir den Diffusor für die Extraktion der Fasern und die Autoklaven für den Kochprozess. Die Fermentation erfolgt mit Hefe, die wir speziell aus unseren eigenen Agaven gewinnen, was ebenfalls einen längeren Entwicklungsprozess benötigt hat, bis wir mit dem Ergebnis zufrieden waren. Die Destillation erfolgt nach dem 2-stufigen Destillationsverfahren in Edelstahltanks und schließlich die Reifung in ausgewählten Eichenfässern.
Im Prinzip ist das das übliche moderne Vorgehen in der Tequila-Produktion. Das entscheidende daran aber ist, jeden Schritt der Produktion zu optimieren und die besten verfügbaren Materialien zu verwenden, um am Ende die höchstmögliche Qualität zu gewährleisten.
About-Tequila: Ihr verwendet also den “bösen” Diffusor? Die Meinungen zu dieser “Black-Box” sind ja fast ausschließlich negativ. Wie passt der Einsatz moderner Technologie zu eurem hohen Anspruch an Tradition, Qualität und Geschmack?
Alejandro: Ja, ich weiß, dass der Diffusor einen schlechten Ruf in vielen Internetforen und bei einigen „Experten“ hat, und ich kann auch teilweise nachvollziehen, warum. Ehrlich gesagt, werden viele schlechte Tequilas mit dieser Maschine hergestellt, aber das ist nicht die Schuld des Diffusors. Man kann guten oder schlechten Tequila mit jeder Methode herstellen, man muss nur wissen, was man tut. In rund 150 Jahren Tequila-Herstellung hat meine Familie wahrscheinlich jede einzelne Methode in jedem Produktionsschritt angewendet, und wir sind überzeugt, dass wir heute den besten Tequila herstellen, den wir können.
Der Diffusor erlaubt uns eine maximale Extraktion unserer Agaven. Agaven sind teuer und das Wachstum dauert lange. Das ist also ein effizientes Vorgehen und unser Tequila soll für den Endkunden bezahlbar bleiben. Und am Ende des Tages steht die Qualität des Produktes für sich. Unsere Tequilas wurden schon immer in Blindtests bevorzugt und haben zahlreiche Preise gewonnen.
Ich möchte die Menschen ermutigen, ihren Sinnen mehr zu vertrauen. Wenn es gut schmeckt, gut riecht und am nächsten Tag keine Kopfschmerzen bereitet, ist es wahrscheinlich ein gutes Produkt.
Allerdings erzeugt die Verwendung der traditionellen Methode (z.B. mittels Dampfofen) einen anderen Geschmack, der für Viele attraktiv ist. Wir mögen diese Methode auch und haben sie bei Herradura viele Jahre lang angewendet. Vielleicht werden wir es in Zukunft für eine andere Linie von Tequilas verwenden, wer weiß.
About-Tequila: Im Gegensatz zur Herstellung von Tequila mit modernen Mitteln gibt es Hersteller die mit – ich nenn es mal “Tequila-Romantik” -Bilder werben und dadurch Emotionen von handwerklicher Tradition wecken. Da sieht man oft traditionelle Öfen, Lastesel und Steinmühlen. Inwieweit lässt sich so eine Vorstellung überhaupt aufrecht erhalten wenn man z.b. mehrere hunderttausend oder sogar Millionen Liter Tequila produzieren und konstant ein Geschmackslevel halten muss? Wie geht das?
Alejandro: Es gibt in der Tat kleine Produzenten, die die alten Produktionsverfahren schätzen und diese Methoden anwenden und es gibt definitiv einen Verbraucher, der auch diese Produkte schätzt. Aber wenn Du über große Produktionsvolumen sprichst im Millionen Literbereich, ist das definitiv nur eine Marketingstrategie, um diese Verbraucher anzusprechen. Nur ein kleiner Teil ihrer Produktion wird auf diese Weise gemacht, um den Traum am Leben zu halten und um vom CRT zertifiziert zu werden. Der Großteil ihrer Produktion erfolgt auf moderne Weise.
About-Tequila: Das heißt, wenn man alles Wissen über Tequila zusammen packt kann man einen hochwertigen Tequila produzieren der höchsten Ansprüchen genügt, für den Endkunden bezahlbar ist und trotzdem nicht mit irgendwelchen Zusatzstoffen verändert worden ist. Kann man das als die Mission von TEQUILA HUIZACHE bezeichnen?
Alejandro: Nun, das fasst ziemlich genau zusammen, worum es bei unserer Marke TEQUILA HUIZACHE geht. Ich würde nur noch hinzufügen, dass wir das tun, weil wir es lieben. Wir würden nie ein Produkt verkaufen, das wir nicht selbst gerne trinken würden. Wir müssen unseren Produktionsprozess nicht verstecken und erfinden keine ausgefallenen Marketing-Geschichten.
Der Rohstoff: Die Agave
About-Tequila: Widmen wir uns dem Rohstoff, der Blauen Agave. Man liest aktuell wieder vermehrt Berichte über steigende Preise für Agaven, ja sogar einem Höchststand für 1 Kilo Agave. Beam Suntory Deutschland zum Beispiel hat durch die wachsende Tequila-Nachfrage bei eingeschränkter Agaven Versorgung den Vertrieb von Sauza Tequila zu Anfang dieses Jahres in Deutschland eingestellt. Gibt es wieder eine Agaven Krise und wenn ja, wie reagiert man Ihr darauf?
Alejandro: Ja, es gibt im Moment eine Agaven Knappheit, aber diese ist nur zeitlich begrenzt. Vor einigen Jahren wurde ein großer Teil des Agaven Bestandes aufgrund des Klimawandels vernichtet. Glücklicherweise war unser Bestand nicht betroffen, was uns in eine gute Lage versetzt hat. Infolgedessen sind die Agave-Preise in die Höhe geschnellt und das hat sich schließlich auf die gesamte Branche ausgewirkt. Aber das ist wie erwähnt zeitlich begrenzt und die Preise werden sich in ein oder zwei Jahren wieder stabilisieren.
Wir vergessen oft, wie empfindlich unsere Nahrungsmittelversorgung ist und wie anfällig sie für den Klimawandel ist.
About-Tequila: Es gibt noch eine spezielle Tequila Sorte die ihr ultra streng limitiert herstellt. Kannst du bitte verraten was das für eine Marke ist?
Alejandro: Ich schätze, Du meinst San José del Refugio. San José del Refugio ist der Name der alten Familien-Hacienda, in der Herradura gegründet wurde und in der meine Familie viele Generationen lang lebte. Wir verwenden diese Marke für unseren seltensten Tequila. Wie ich bereits erwähnt habe, sind wir sehr sorgfältig bei den von uns verwendeten Fässern. Sie durchlaufen alle ein sorgfältiges Inspektions- und Klassifizierungssystem. Gelegentlich finden wir Fässer, die wirklich außergewöhnlich sind. Die Aromen und Eigenschaften sind einzigartig, und ich spreche von vielleicht einem einzigen Fass unter 250 Fässern. Diese Fässer verwenden wir für unsere eigenen Tequilas, traditionell nur für Familie und Freunde.
Wir werden immer öfter gefragt, ob man denn diesen Tequila kaufen könne, also beschlossen wir, ihn als Sonderedition aufzulegen.
Es handelt sich dabei um einen Extra-Añejo, der etwa vier Jahre alt ist und aus einem einzelnen Fass stammt, so dass leider nur etwa 500-1000 Flaschen pro Jahr verkauft werden können, je nachdem, welche Fässer wir finden.
Der moderne Tequila
About-Tequila: Was hältst du von Cristalino Tequilas?
Alejandro: Aus kommerzieller Sicht ist es sicherlich ein großer Erfolg. Bei den meisten Cristalinos handelt es sich um Tequila Añejos. Traditionell haben Añejos das niedrigsten Umsatzvolumen. Das meiste Geschäft wird aber mit Blancos gemacht. „Verwandeln“ man nun Añejos in Cristalinos hat man praktisch künstlich eine neue Kategorie geschaffen – und somit die Möglichkeit zusätzlich Umsatz zu generieren. Aus marketingstrategischer Sicht ein brillanter Schachzug.
In Bezug auf Geschmack, Aromen und Eigenschaften finde ich Cristalinos allerdings nicht sehr gut. Wir verbrachten etwa anderthalb Jahre damit, zu experimentieren und versuchten, eine Formel zu finden, die uns gefiel. Aber keiner der Proben, die wir getestet haben, bestand unseren Ansprüchen. Sie passen einfach nicht zu unserer Vorstellung davon, was einen tollen Tequila ausmacht. Das Problem ist, dass, um die Farbe aus dem Añejo zu filtern, Sie den Tequila mit einem Kohlefilter filtern müssen. Dabei wird zwar die dunkle Färbung entfernt, aber es gehen auch viele der Aromen verloren und eben leider auch genau die Aromen, die wir uns im Alterungsprozess so hart erarbeitet haben. Das Ergebnis ist ein sehr neutraler und geschmeidiger Tequila. Um das alles zu kompensieren, fügen die meisten Hersteller im Anschluss wieder natürliche Aromen hinzu, um den Tequila zu versüßen und schmackhafter zu machen.
Das entspricht allerdings nicht unserer Philosophie von einem reinen Tequila. Wir verwenden keine Zusatzstoffe oder Süßstoffe in unseren Tequilas. Daher werden wir vorerst keinen Cristalino Tequila produzieren, es sei denn, wir finden einen Weg, alle Aromen des Alterungsprozesses zu erhalten.
About-Tequila: Was kommt als nächstes von TEQUILA HUIZACHE?
Alejandro: Nun, das Wichtigste ist, dass wir mit dem Vertrieb unserer Produkte in Europa und respektive in Deutschland begonnen haben. Mit unserem Vertriebspartner in Deutschland arbeiten wir im Momant an einer Neugestaltung des Flaschendesigns und werden auch unseren ersten Huizache Añejo vorstellen.
Deutschland und Europa im Allgemeinen haben die reichste Tradition an Weinen und Spirituosen, und die Menschen dort haben einen sehr guten Geschmack und hohen Anspruch. Wir freuen uns, unsere Tequila-Tradition mit Liebhabern zu teilen, die die guten Dinge des Lebens schätzen.
About-Tequila: Vielen Dank für das Gespräch!
Alejandro: Es war mir ein Vergnügen.
Links:
Tequila Huizache – Homepage
Tequila Huizache – Instagram
Tequila Huizache – Facebook
Ich bedanke mich bei Alejandro Cuevas Romo für das offene und interessante Interview und wünschen ihm und seiner Familie weiterhin viel Erfolg! Wenn auch Sie eine interessante Tequila-Geschichte haben, dann schicken Sie mir bitte eine E-Mail an info@about-tequila.de – ich freue mich auf Nachricht! (Markus Nikowitsch, About-Tequila.de, April 2019)